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Vom Umgang mit Wildschweinen, Kräutern und - Angst

Als ich meinen Freundinnen erzähle, dass ich zu einem Frauen-Mut-Wochenende aufbrechen werde, sind die Reaktionen unterschiedlich: Sie reichen von mäßiger Interessiertheit, über „Muss ich mir Sorgen machen?“, bis hin zu „Was ist denn ein WUT(!)-Wochenende?“. - Nach meiner Rückkehr heißt es „Bin gespannt auf deinen Bericht!“ und „Wie war das Wochenende mit den Ladies?“ - Nun, „Ladies“ trifft es nicht ganz, wir waren wohl eher Waldfrauen, Kräuterfeen, Outdoor-Enthusiastinnen und Natur-Liebhaberinnen.

 

Ein-Millionstel-Abenteuer

 

In Globetrotter-Kreisen würde man unser Wochenende als „Mikro-Abenteuer“ bezeichnen. Das ist ein geflügeltes Wort. Man findet Bücher dazu, und Vorträge.

 

Aber warum heißt es eigentlich „mikro“ und nicht „mini“? Die deutsche Wikipedia meint, „mikro“ steht als griechischer Wortstamm in deutschen Fremdwörtern für „klein“ und als Vorsatz für Maßeinheiten für „ein Millionstel“. „Mini“ hingegen kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „sehr klein“. - Aha!

 

48 Stunden in der Dresdner Heide rund um die Ochsenkopfhütte sind definitiv ein Abenteuer von kurzer Dauer. Außerdem: Wir hätten sogar dorthin laufen können. (Was eine von uns übrigens auch tat.) Insofern: Egal, ob klein oder sehr klein, es war ein Abenteuer!

 

Angst im Kopf

 

Beim Frauen-Mut-Wochenende sollte es – auch – um unsere Ängste gehen. Ich wollte meiner Angst vorm Übernachten im Wald mutig gegenübertreten, genauer meiner Angst vor wilden Tieren, die mich im Schlaf überraschen könnten. Deutlich vor Augen hatte ich dabei Wildschweine. Und seitdem Wölfe bei uns wieder heimisch sind, waren auch sie Gegenstand so mancher Grübelei.

 

Andere Frauen haben andere Ängste. Was das Nächtigen auf Waldboden betrifft, drängen sich kriechende, huschende, krabbelnde, schlängelnde kleine Lebewesen unweigerlich ins Kopfkino.

 

Um es klarzustellen, es geht hier nicht ums Wildzelten, bei dem man in einen Rundum-Sorglos-Kokon aus Nylon eingehüllt ist, sondern ums Übernachten mitten im Wald, im Schlafsack auf einer Isomatte liegend und nur durch ein Tarp vor Regen geschützt.

 

Die Nacht im Wald

 

Ouverture: Am Samstag-Nachmittag besuchen wir vier Mut-Frauen gemeinsam mit unseren beiden Guides einen Buchenwald, den die beiden für unsere Nacht im Wald ausgewählt haben. Der ist nur wenige hundert Meter von der Ochsenkopfhütte entfernt: mächtige Bäume, darunter viel Laub, das Ganze von niedrigen Nadelbäumen umsäumt, und dort in einigen Randbereichen von - (Achtung: Dramatische Pause!) - Wildschweinen aufgewühlt. Wir umrunden das Wäldchen und hinterlassen nur unseren Geruch. Damit markieren wir unseren Revieranspruch für die bevorstehende Nacht. Ich hoffe sehr, dass die Tiere des Waldes unsere Botschaft verstehen. Vorsichtshalber drehe ich eine zweite Runde. Dann liege ich mein Laubbett Probe, es ist wunderbar weich. Ich befestige mein Tarp an zwei befreundeten Buchen und zwei mitgebrachten Heringen. Das Tarp bildet dadurch ein schönes Pultdach, allerdings ist es winzig (es bedeckt gerade  meine Isomatte) - und lila!

 

Intermezzo: Auf dem gemeinsamen Weg zum Schlafplatz im Wald sahen einige Frauen ein Wildschwein durchs Unterholz laufen. Den Anblick habe ich verpasst! (Ich vermute, das ist gut für meine Nerven und für meine Nachtruhe.)

 

Nocturne: Das „Nachtstück“ beginnt gegen 22:30 Uhr mit dem „Betten fassen“. Da den ganzen Tag über „Wechselwetter“ war (Sonne, Wolken, Regen, Sonne, Wolken, Regen, …), tropft es nun von den Buchenblättern auf mein Tarp. Noch lange liege ich wach und lausche den Tropfen. Die restliche Nacht ist wie ein Opernbesuch: Den größten Teil habe ich verschlafen. Kein Wildschwein hat mich geweckt. Von Angst keine Spur.

 

Grande Finale: Um 4 Uhr früh werde ich wach, weil mir kalt ist. Zwischen 4 Uhr und 5 Uhr kommt hörbar Leben in den Wald: Was ganz zart mit vereinzelten Vogelstimmen beginnt, schwillt bis Sonnenaufgang zum mächtigen Vogelkonzert an. - Gegen 6:30 Uhr erwache ich ein zweites Mal. Jetzt wärmt mir die Sonne den Schlafsackverhüllten Rücken. Der Waldboden dampft.

 

Feuer, Kräuter, Baumpech. Oder: Was sonst noch geschah

 

Die Ochsenkopfhütte, unser Hauptquartier an diesem Wochenende, verfügt über eine große Feuerstelle im Freien. Am ersten Morgen, einem Samstag, habe ich die Aufgabe, mich um das Feuer zu kümmern. Ich bin sehr stolz, als mir ein wirklich gutes Feuer auf Anhieb gelingt! – Denn das Feuer brauchen wir. Zunächst für K-A-F-F-E-E, später für Knüppelkuchen, ein stilechter Ersatz für Bäckerbrötchen. Ich belege mein „Knüppelkuchen-Brötchen“ mit Käse, und ich probiere Ebereschen-Apfel-Konfitüre. (Genial!)

 

Beim Frühstück am Sonntag bemerken wir, dass der Knüppelkuchenteig seine Struktur verändert hat, er wandert selbstständig um den ihn beherbergenden Knüppel herum. Aus dem Hefeteig ist ein Sauerteig geworden.

 

Wir sammeln – unter Anleitung - Kräuter und bereiten ein Pesto daraus. Schmeckt wunderbar! Dennoch werde ich das in absehbarer Zeit nicht nachmachen, ich würde die Kräuter nicht wiedererkennen. Ganz anders sieht es mit dem Tee aus: Den kriege ich aus Brombeer- und Himbeerblättern und aus Fichtennadeln zukünftig auch alleine hin!

 

Unweit der Ochsenkopfhütte steht ein Baum, den einige Frauen für einen Mammutbaum halten. Es entspinnt sich eine Diskussion darüber, ob frau Tee aus Mammutbaum trinken kann: „Der Tee dürfte eigentlich nicht giftig sein.“ (Ich liebe das Wort „eigentlich“!) „Wenn wir Mammuttee trinken, werden wir alle steinalt.“ (Hoffentlich nicht sofort.) Später stellt sich heraus, dass der Baum eine japanische Sicheltanne ist. (Danke, Google!) Vorsichtig nippe ich am Tee. (Die Menge macht das Gift.)

 

Das mit dem Tee war eine wertvolle Erfahrung: Bei der nächsten Trekkingtour werde ich Gewicht sparen. Bei einem erwarteten Rucksackgewicht von 16.000 Gramm sind es immerhin 37 Gramm Tee pro Packung, die ich nicht tragen muss.

 

Und sonst? 1. Wir sammeln Fichtenharz und stellen Pechsalbe daraus her. Die funktioniert als Wund-, aber auch als Hustensalbe. 2. Ich verliebe mich! – In Lärchennadelsalz. Das ist ein Kräutersalz mit einem irren Waldaroma. 3. Und dann ist da noch die Sache mit dem Stethoskop. Wenn man es an den Stamm eines Baumes anlegt, kann man dem Baum beim Wachsen zuhören. Diese Anregung nehme ich als Hausaufgabe mit.

 

Wie ich mir die Nacht im Wald vorstellte, und wie ich sie erlebte

Originalskizzen aus meinem Mut-Wochenende-Tagebuch
Originalskizzen aus meinem Mut-Wochenende-Tagebuch

 

Das Frauen-Mut-Wochenende „Draußen. Wild. Frei.“ haben Claudia Scharf www.paedagogikundnatur.de und Solveig Schmidt www.solveigschmidt.jetzt vorbereitet und durchgeführt. – Habt Dank! (Hinweis: Das ist kein Affiliate Marketing, sondern Ausdruck meiner persönlichen Zufriedenheit.)