Lieber Kundenservice,
vielen Dank für Ihre Antwort!
An einem Abend im August verschickte ich eine E-Mail-Anfrage an Sie, einen Kamera-Tragegurt aus Leder zum Preis von 75 EUR betreffend: Wie breit, wie lang, passt der an meine Kamera? Meiner Meinung nach einfach zu beantwortende Fragen. So einfach, dass die Antworten auf diese Fragen von vornherein Bestandteil der Artikelbeschreibung im Online-Shop sein sollten.
Nur Sekunden, nachdem ich den Senden-Button gedrückt hatte, erhielt ich eine Antwort. Natürlich eine Auto-Response-E-Mail. In der bedankten Sie sich zunächst für meine Kontaktaufnahme. Soweit nichts Besonderes, das machen die meisten Online-Shops so. Mein Erstaunen war riesengroß, als ich in Ihrer E-Mail folgenden Satz las: „Wir werden unser Möglichstes tun, Ihnen während unserer Geschäftszeiten innerhalb von einer Stunde zu antworten.“
Im Allgemeinen halte ich nicht allzu viel von derartigen – automatischen - Antworten. Besagen sie doch lediglich, dass zwei Server miteinander ein paar Bits und Bytes ausgetauscht haben. In diesem Fall war ich einen Moment sprachlos, nämlich beim Lesen der angekündigten Antwortzeit. Innerhalb von einer Stunde? – Alle Achtung! (Es schmälerte meine Achtung nicht, dass ich – natürlich – außerhalb Ihrer Geschäftszeiten geschrieben hatte.)
Selbstverständlich ist mir bewusst, dass es sich bei dieser Ankündigung um eine Absichtserklärung handelt, kein Versprechen. Dennoch: Die beabsichtigte Reaktionszeit fand ich sehr, sehr bemerkenswert. (Wow!)
Normalerweise bin ich bei solchen Online-Anfragen mit einer Antwort innerhalb von 24 Stunden extrem zufrieden, mit 48 Stunden kann ich gut leben. Mit 72 Stunden komme ich klar, wenn es sich um eine komplexe Fragestellung handelt und ich in diesem 3-Tage-Zeitfenster eine erkennbar von Menschenhand individuell für mich produzierte Zwischeninformation erhalte.
Die Nacht brach herein, ich schlief und hatte meine E-Mail an Sie vorübergehend vergessen.
Im Laufe des nächsten Tages erinnerte ich mich meiner E-Mail, schaute in mein E-Mail-Postfach und fand - nichts. Zumindest nichts von Canon.
Als ich 48 Stunden lang nichts von Ihnen hörte, nahm ich einen schon lange geplanten Berlin-Trip zum Anlass, um bei den Fotopionieren auf der Karl-Marx-Allee vorbeizuschauen. (Die Fotopioniere bieten Produkte und Dienstleistungen rund ums Fotografieren an. Dazu: Ausstellungen und Workshops, und ein kleines Café ist auch dabei.) Es blieb nicht beim Schauen, ich verließ das Geschäft mit einen sehr schönen ledernen Kameragurt zum Preis von 50 EUR. Nun steht Kalahari auf dem Tragegurt für meine Canon-Kamera. (Ich weiß, das stört Sie nicht. Trotzdem: Ätsch!)
Auf den Tag genau vier Wochen nach meiner E-Mail-Anfrage bei Ihnen (Zufall oder eine Frist aus Ihrem internen Handbuch „Umgang mit Kunden“?) erhielt ich – mittlerweile für mich selbst völlig unerwartet – doch noch eine Antwort vom Kundenservice, der sich nun „Ihr Services & Support Team“ nannte. Darin entschuldigten Sie sich zunächst ausdrücklich und für meinen Geschmack etwas zu überschwänglich, dass Sie meine Anfrage bisher nicht beantwortet hätten und begründeten dies „durch ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich hohes Aufkommen“. Na ja, dachte ich, Schwamm drüber. Kann ja passieren.
Dann las ich mit zunehmendem Erstaunen weiter, welches sich schließlich zu mittlerem Ärger steigerte:
„Aufgrund der inzwischen vergangenen Zeit können wir uns vorstellen, dass sich der Grund Ihres Kontaktes verändert hat […]. Daher möchten wir Sie bitten, uns kurz zu informieren, wenn Ihr Anliegen noch aktuell ist […]. Bekommen wir keine Rückmeldung von Ihnen, gehen wir davon aus, dass sich die Angelegenheit erledigt hat. Wir werden Ihre Anfrage dann bei uns schließen.“
Schön, dass Sie Textbausteine für Ihre elektronische Kundenkommunikation benutzen, die können einem das Geschäftsleben wirklich erleichtern! Aber sollten Sie vielleicht den Autor feuern? Nein, sollten Sie nicht. Der Autor hat nämlich erstklassige Arbeit geleistet, hat gut formuliert. Die Dreistigkeit des Ansinnens liegt nicht am Autor, ich glaube, da steckt System dahinter.
Ja, liebes „Services & Support Team“, Sie haben Recht! Der Grund meines Kontaktes besteht tatsächlich nicht mehr. Besteht – wohlgemerkt - seit 3 Wochen und 5 Tagen nicht mehr. Den Fotopionieren sei Dank!
Der Canon Online Store hat Erwartungen geweckt, dann nicht erfüllt, jegliche akzeptable Antwortzeit um ein Vielfaches überschritten und erwartet nun von mir, dass ich mich erneut melde, wenn meine Anfrage noch aktuell ist? - Geht’s noch?
Schafft sich Canon auf die Art und Weise Anfragen vom Halse, die Arbeit machen, aber wenig Umsatz bringen?
Hätten Sie auch so reagiert, wenn meine Anfrage kein 75-EUR-Produkt betroffen hätte, sondern eine hochpreisige Spiegelreflexkamera?
Aber vielleicht lag es gar nicht am Produkt, sondern am Fragesteller, also an mir? Hätten Sie auch so reagiert, wenn ich kein Niemand, sondern ein großer Fotoartikelhändler wäre?
Wie viele Hundert oder gar Tausend Anfragen von scheinbar geringer Bedeutung schaffen Sie sich auf diese Art und Weise schlagartig – nämlich mit einer einzigen E-Mail - vom Halse?
Und: Passiert das eigentlich regelmäßig, oder war das ein Einzelfall? (Um das zu recherchieren, erwäge ich bereits, elektronische Strohmänner mit Kundenanfragen an Sie herantreten zu lassen...)
Als Verfechterin einer E-Mail-Kultur bin ich – normalerweise - der Meinung, jede Kundenanfrage verdient eine Antwort. Auf Ihre Antwort hätte ich verzichten können! (Und Sie hätten verzichten sollen.) Mein Anliegen und Ihre Nicht-Reaktion hätte mein Gedächtnis irgendwann in einer seiner Krimskrams-Schubladen vermüllt. Der Canon Online Store wäre mir weder in guter, noch in schlechter Erinnerung geblieben. Eben irgendeiner von vielen Online-Shops, der eine - nicht überlebenswichtige - Anfrage nicht beantwortet hat.
So haben Sie nun eine Kundin verloren! - Nach zwei Canon-Kameras ist Schluss mit Canon. Jedenfalls für mich. Die nächste Kamera kaufe ich bei Nikon, Pentax, Olympus oder wem auch immer. Nicht weil ich glaube, dass die besser mit ihren Kunden umgehen oder dass Ihnen das in irgendeiner Weise wehtut, sondern nur, um mich besser zu fühlen.
Noch schlechter als in diesem Falle kann Kundenkommunikation ja wohl nicht laufen!