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Forststeig: Allein. Autark. Und von A bis Z.

 Mein „Unternehmen Forststeig“ beginnt mit dem Kauf einer Küchenwaage. - Tagelang packe und wiege ich, wähle aus, wiege erneut, um zu entscheiden, was überflüssig ist: die Ersatzbatterien für die Stirnlampe, der Packbeutel für die Heringe, die Etiketten an der Kleidung. Meinen Versuch, minimalistisch zu sein, torpediert Sachsenforst: Die fünf Trekkingtickets, die zum Übernachten auf Biwakplätzen und in Hütten berechtigen, wiegen 20 Gramm!

 

 Tag 1: „Vom Glück des Feuers“ (Schöna - Grenzbaude)

 

Mein erster Forststeig-Tag ist wettertechnisch gesehen „durchwachsen“. Kein Dauerregen, doch es tröpfelt mal mehr und mal weniger. Richtig abenteuerlich – und nass! – sind dann die letzten, wenigen hundert Meter, die Zuwegung zur Grenzbaude. Diese führt durch brusthohe Gräser und Farn. Als ich die Baude erreiche, bin ich „durch“. In der Baude brennt das Feuer im Ofen, drei Männer trocknen ihre Sachen. Die Leine bietet auch noch Platz für meine.

 

Gegen 20:00 Uhr gehen wir „ins Bett“, was in diesem Falle bedeutet, wir legen uns auf den Fußboden, die Männer im großen Raum, ich im kleinen Raum. Gegen 20:45 Uhr (Es ist stockdunkel!) treffen zwei späte Gäste ein, die bis Mitternacht geschäftig sind.

 

Tag 2: „Tschechischer Luxus“ (Grenzbaude - Ostrov)

 

Da es an den Biwakplätzen und in den Trekkinghütten kein Trinkwasser gibt, versuche ich, jeden Übernachtungsplatz mit zwei Litern Wasser zu erreichen: Je einen Liter benötige ich abends und morgens für Kaffee, Tee und Essenszubereitung. Jeder Morgen beginnt daher mit dem Auffüllen meiner Wasserflaschen: Heute laufe ich zum Taubenteich, um Wasser zu filtern.

 

Nach der Passage über den Hohen Schneeberg miete ich mich für 19 Euro auf dem Zeltplatz in Ostrov ein: Eine Hütte mit - bröckelnder – Terrasse gehört mir für eine Nacht. In der Hütte: Ein Doppelstockbett, dessen Holz eine Patina aufweist, die mich an meine Schulbank in der ersten Klasse erinnert (und sich heute bestenfalls im Schulmuseum befindet) und drei – neuere - Einzelbetten. - Schlecht: Die Duschen öffnen erst um 18 Uhr, und die Klinke der Klotür fällt beim ersten Kontakt ab. Gut: Es gibt Toilettenpapier. (Das gibt es an den Trekkinghütten im Wald nicht.)

 

Tag 3: „Auf Schmugglerpfaden“ (Ostrov - Zehrbornbiwak)

 

Beim Start am Morgen raschelt es im Wald. Ich halte nach Wild Ausschau - und erblicke zwei rote T-Shirts: Zwei Männer sensen (!) Farnkraut. - Was sonst noch geschieht? Das im Forststeigführer angekündigte Bergsteigerdenkmal verpasse ich - beinahe. Der Grenzweg fühlt sich wie ein Schmugglerpfad an. Sachsenforst schildert eine Umleitung aus, die sich als Abkürzung erweist. Und beim Aufstieg zur Johanniswacht zwänge ich mich durch sehr enge und niedrige Stellen im Sandstein. Ich denke: „Sachsenforst, wollt Ihr mich verar…en? Ich habe einen Trekkingrucksack mit Isomatte auf dem Rücken! Wie soll ich da durchkommen?“ Schließlich erreiche ich das Zehrbornbiwak. Als ich mein Zelt aufbaue, fängt es an zu regnen. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Das wird 24 Stunden so weitergehen.

 

Tag 4: „Schlammschlacht“ (Zehrbornbiwak - Rotsteinhütte)

 

Am Morgen ist mein Zelt nass - und dreckig. Der überdachte Picknicktisch bietet Schutz vor Regen, jedoch nur, wenn dieser senkrecht fällt. Dank eines kräftigen Windes tut er dies heute nicht. Die vier Freunde und ein Hund, die am Vorabend kurz nach mir eincheckten, und ich, wir trotzen beim Frühstück dem Regen und unterhalten uns gut. Erst gegen 11:00 Uhr breche ich auf. Es wird der Tag der Forstarbeiten und der fehlenden Wegweiser (Sachsenforst bekämpft den Borkenkäfer), der Tag von Regen und Schlamm. Die Streckenführung mäandert scheinbar unbegründet. Ein leiser Verdacht: Wollte Sachsenforst durch enge Wegschlingen die magische Zahl 100 (Kilometer Forststeig-Länge) „knacken“?

 

Kurz vor der Rotsteinhütte zeigen Steinmänner den Weg zu einer ungefassten Quelle. Ohne Hilfe (Danke, Antje!) hätte ich die Quelle dennoch nicht gefunden. Die Hütte ist bereits gut besucht. Im Bioklo steht ein Ivar-Regal. Leer. Sein Zweck ist unklar. Ich hänge mein Zelt zum Trocknen daran auf. Am Abend sehen wir dann tatsächlich noch die Sonne! Alle Hüttengäste gehen Pilze sammeln. Auch ich finde einen (e-i-n-e-n!). Mike bereitet mehrere Pilzpfannen auf seinem Holzkocher zu. Nach dem Essen spielen wir Maumau, bis die Müdigkeit siegt.

 

Tag 5: „Unbekannte Steine“ (Rotsteinhütte - Quirl-Biwak)

 

Heute ist der Tag der – bemerkenswerten - kleinen Steine: Rotstein, Katzfels, Spitzstein (tolles Biwak!), Lampertstein, Bernhardstein. An den Nikolsdorfer Wänden laufe ich auf Pfaden, die sonst nur von Kletterern für den Zustieg benutzt werden. Gegen 15:30 Uhr bin ich am Naturerlebniszentrum Leupoldishain. Hier will ich heute übernachten. Der Biwakplatz enttäuscht mich: klein und direkt an einer kopfsteingepflasterten Straße. Ich hole Trinkwasser und beschließe weiterzugehen. Gegen 17:00 bin ich am Quirl-Biwak. Es befindet sich an einer Wegkreuzung im Wald. Eine weniger exponierte Lage wäre mir lieber. Doch noch weiter laufen mag ich nicht. Also baue ich mein Zelt auf. Der befürchtete Publikumsverkehr bleibt aus, und ich sehe an diesem Abend nur drei Mountainbiker vorbeifahren.

 

Tag 6: „Erste Male“ (Quirl-Biwak - Bad Schandau)

 

Die erste Nacht im Leben allein im Wald geschlafen. (Gut!) Zum ersten Mal im Leben einen Felsen in der Sächsischen Schweiz (Pfaffenstein) aus dem Nebel rausgucken sehen. (Magisch!) Das erste Mal auf dem Forststeig verlaufen. (Irgendwann auf den letzten Kilometern beim Abstieg vom Kleinhennersdorfer Stein komme ich vom Weg ab.)

 

Den Bahnhof in Bad Schandau erreiche ich um 14:30 Uhr, um 14:35 Uhr fährt mein Zug, schnell stemple ich meine Fahrkarte, dann sehe ich an der Anzeige, dass der Zug ausfällt. - Dank sechstägiger Internet-Abstinenz erwischt mich der Streik der Lokführer kalt. Es dauert schließlich mehr als 3 Stunden, um von Bad Schandau nach Dresden zu gelangen!

 

Fazit

 

Kein Nationalpark, keine überlaufenen Aussichtspunkte, fantastische Landschaft!

 

Zivilisationsfern. - Der Forststeig führt durch keine einzige Ortschaft hindurch. Zivilisationspunkte an der Strecke sind ausschließlich Restaurant und Imbiss auf dem Schneeberg, der Zeltplatz in Ostrov, das Vier-Sterne-Hotel Kristin Hradek und das Gasthaus auf dem Pabststein.

 

Allein. Autark. Und von A bis Z. - Ich war allein unterwegs (und führte viele gute Gespräche). Ich versorgte mich während der Tour nur mit dem, was ich im Rucksack hatte und mit Wasser aus Quellen und Bächen, ich war autark. Und ich lief den kompletten Forststeig von Schöna bis Bad Schandau, also von A bis Z.

 

Für alle, die Zahlen lieben: Rucksackgewicht beim Start: 12.4kg (incl. 2 l Wasser und Essen für 6 Tage), Distanz: 105 km, Kosten: <100EUR.